Sadie Jones: The Uninvited Guests

The Uninvited GuestsUm diesen Roman bin ich schon eine ganze Weile herumgeschlichen, bevor ich ihn mir schließlich in der Bibliothek ausgeliehen habe. Inzwischen habe ich ihn längst gelesen, mich bisher jedoch schwer damit getan, meinen Eindruck in Worte zu fassen. Was im Grunde mal wieder daran liegt, dass ich etwas anderes erwartet habe: einen historisch angehauchten Roman oder – in den Worten des Observers – eine „elegant comedy of manners“. Die habe ich zwar durchaus auch bekommen, zum Ende hin nimmt sie allerdings Züge an, die nicht ganz meinen Geschmack getroffen haben. Aber eins nach dem anderen:

England, 1912. Auf Sterne, dem einstmals herrschaftlichen, inzwischen jedoch recht heruntergekommenen Landsitz der Familie Torrington, bereitet man sich auf die Geburtstagsfeier von Emerald, der noch 19-jährigen Tochter des Hauses, vor. Obwohl die Vorbereitungen etwas anderes vermuten lassen, ist mitnichten ein rauschendes Fest zu erwarten. Eingeladen sind lediglich Patience Sutton, eine gute Freundin aus Kindertagen, und deren Mutter sowie der wohlhabender Nachbar John Buchanan, den Emeralds Mutter aufgrund seines Vermögens als potentiellen Ehemann für ihre Tochter ins Auge gefasst hat. Doch noch bevor der Kuchen angeschnitten ist, führt ein tragisches Zugunglück eine Gruppe Reisender zum Haus der Torringtons. Die Familie nimmt die seltsam apathischen Gäste mehr oder weniger bereitwillig auf, schenkt ihnen anfangs allerdings kaum Beachtung. Doch einer der ungeladenen Gäste, der joviale Charles Traversham-Beechers, schließt sich wie selbstverständlich der Geburtstagsgesellschaft an – und löst durch sein Auftreten eine Kette beunruhigender Ereignisse aus…

Bis zu diesem Punkt ließ sich der Roman eigentlich ganz vielversprechend an, denn Sadie Jones versteht definitiv ihr Handwerk. Sprachlich hat sie mich damit auf jeden Fall überzeugt. Man könnte ohne Weiteres glauben, der Roman entstammt der Feder einer Autorin aus der edwardianischen Ära. So stilsicher fängt Sadie Jones die Atmosphäre dieser Zeit ein und porträtiert die durch Herkunft und Vermögen bestimmten sozialen Hierarchien ebenso wie das beständige Streben danach, selbst im Angesicht wirtschaftlicher Kalamität Anstand und Form zu wahren:

„‚Have you hens?‘ asked John.

Emerald was loath to admit they hadn’t any. She felt bound to defend her mother who, in the storm of John Buchanan, had sheltered in the port of invented poultry.

‚Robert may have acquired some. And I believe Devlin has been known to keep them.'“ (S. 39)

Gleichzeitig karikiert sie die Konventionen dieser Zeit und den weitverbreiteten Standesdünkel an vielen Stellen auf wunderbar ironische Art und Weise. Beispielsweise in Gestalt des vermögenden John Buchanan, der einerseits insgeheim beleidigt ist, dass Emerald ihn nicht als standesgemäßen Ehemann in Betracht zieht, andererseits in Hinblick auf die Haushälterin Florence Trieves, die er bei näherer Betrachtung gar nicht mal unattraktiv findet, ähnliche Vorbehalte hegt.

In der Tat lebt der Roman zu großen Teilen von der illustren Schar an Charakteren, die Sadie Jones versammelt und die in vielerlei Hinsicht Geschöpfe ihrer Zeit sind: die pragmatisch-exzentrische Emerald und ihr launischer Bruder Clovis; die größtenteils mit sich selbst beschäftige Mutter Charlotte; die jüngste Tochter Imogen, die von allen nur Smudge genannt und häufiger einfach vergessen wird. Bis auf die gutmütige Patience Sutton und ihren Bruder Ernest, der sie anstelle der Mutter begleitet und in Emerald unerwartete Gefühle auslöst, sind viele der Charaktere dabei auf den ersten Blick nicht unbedingt sympathisch. Authentisch sind sie in ihren diversen Eigenarten jedoch allemal. Und auch wenn es teilweise ein wenig vorhersehbar ist, hat es doch einen gewissen Charme, wie sich die einzelnen Charaktere bzw. ihre Verhältnisse zueinander entwickeln und sich ihre Sicht aufeinander Stück für Stück ändert.

Durch das Auftauchen der ungeladenen Gäste und ein aufziehendes Unwetter nimmt die „elegant comedy of manners“ mit ihren sich andeutenden romantischen Verwicklungen dann jedoch immer unheimlichere Züge an. Grundsätzliche hätte ich mit einer solchen Anleihe beim viktorianischen Schauerroman kein Problem, zumal die düstere Stimmung immer wieder durch trockenen Humor und grotesk-komische Situationen gebrochen wird. Die Hauptrolle spielt dabei die koboldhafte Smudge, die beschließt, dass all die Aufregung die beste Gelegenheit bietet, das Pony Lady in ihr Zimmer zu schmuggeln, um es endlich in Ruhe zeichnen zu können:

„This May Day eve was the day that the pony Lady would be immortalised in charcoal. She had only to achieve the sitting of the pony, and it would be done. At the thought of Lady sitting, Smudge’s hand flew to her mouth to suppress a yelp. She meant sitting in the way an artist would, not literally; only circus ponies actually sat, on barrels and clowns and so forth, and Lady had too much dignity – and weight on her – for that.“ (S. 129/30)

Die düster-beklemmende Stimmung und die unheilvollen Ereignisse, die durch das Auftauchen des undurchsichtigen Traversham-Beechers ausgelöst werden, sind sprachlich und atmosphärisch fraglos ebenso gelungen wie der Rest des Romans. Das Ende ist mir dann aber doch etwas zu grotesk geraten. Auf einer metaphorischen Ebene kann ich mir zwar durchaus vorstellen, worauf Sadie Jones damit hinaus wollte, die Umsetzung hat mich jedoch nicht wirklich überzeugt. Mehr kann ich dazu allerdings nicht sagen, da ich für unerschrockene potentielle Leser nicht zu viel vorwegnehmen möchte.

~ Fazit ~

„The Uninvited Guests“ war sprachlich definitiv ein Vergnügen und darüber hinaus – ein atmosphärisch dichter Roman mit einer schaurig-grotesken Wendung, die ich so nicht erwartet und mir auch nicht unbedingt gewünscht hätte. Nichtsdestotrotz werde ich mindestens noch einen Versuch mit Sadie Jones wagen, da meine Neugierde auf ihr Debüt „The Outcast“ ungebrochen ist.  3 Sterne

Titel: The Uninvited Guests
Autorin: Sadie Jones
Verlag: Vintage Books
Taschenbuch: 354 Seiten
ISBN: 978-0-099-56369-3

2 Kommentare

Eingeordnet unter Gelesen

2 Antworten zu “Sadie Jones: The Uninvited Guests

  1. Pingback: Sonntagsleserin KW #23/24 – 2014 | buchpost

  2. Pingback: Sadie Jones: The Outcast | Bibliomaniac's Diary

Hinterlasse einen Kommentar